GKIND3

Der indische Konzern Tata

Prominentestes Beispiel für inhabergeführte indische Konglomerate ist der Mischkonzern Tata, das älteste und größte indische Imperium mit mehr als 100 Firmen und ca. 425.000 Mitarbeitenden in 80 Ländern. Vom Lippenstift über IT, Telekommunikation, Tee - neuerdings ist Tata Geburtshelfer beim Markteintritt von Starbucks - bis zum Stahl wird fast alles produziert. Einige der besten Hotels in Indien gehören genauso zu Tata wie Rover und Jaguar. Sieben von zehn LKWs auf indischen Straßen sind von Tata.

Ratan Tata, Chairman der Tata-Gruppe, steht mit der Entwicklung des Nanos, dem billigsten Auto der Welt, für die ambitionierte Umsetzung unternehmerischer Visionen, die das Unmögliche möglich machen, und für indische Innovationskraft. 2003 verkündete Tata, einen Kleinwagen für den Preis eines Motorrads zu produzieren und damit der unteren Mittelklasse die Möglichkeit zu geben, auf vier Rädern unterwegs zu sein. Diese Zielgruppe sollte künftig mit mehr Sicherheit und Komfort zu günstigen Konditionen mobil sein können und damit eine Verbesserung ihrer Lebensqualität erreichen. Der erklärte Preis des Kleinwagens: 1 Lakh (100.000 Rs; weniger als 2000.-Euro).

Die Ankündigung galt als Sensation. Mit Spannung wurde erwartet, was man für diesen Preis bekommt. Ingenieure vor allem aus dem hauseigenen Exzellenzpool wurden für dieses Projekt rekrutiert. 2006 nach der Entwicklung mehrerer Prototypen verkündete Tata, dass der neue Kleinwagen in Singur/Westbengalen produziert werden würde. Diese strukturschwache Gegend sollte vom Bau eines Fertigungswerkes und der Ansiedlung verschiedener Zulieferbetriebe in der Region wirtschaftlich profitieren. Der Bau des Werkes wurde begonnen und geriet ab 2007 immer mehr in politische Streitigkeiten, was zu Protesten, Blockaden und schließlich im August 2008 zur massiven Bedrohung der Arbeiter führte. Nachdem die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden konnte, kam es am 23. August zum Stillstand aller Arbeiten in Singur. Am 3. Oktober verkündete Ratan Tata, man werde den Bau der Fertigungsstätte in Singur nicht fortsetzen, sondern einen anderen Standort suchen. Angebote kamen aus verschiedenen Bundesstaaten. Schon am 7. Oktober wurde der Vertrag unterzeichnet, das Werk in Sanand/Gujarat aufzubauen. Dorthin wurde in einer großen logistischen Leistung alles, was bereits in Westbengalen aufgebaut war, verlagert. Der Verlust war immens: Mehrere Monate Rückstand im Zeitplan, Millionen verloren, die Mitarbeiter, die für Singur aus ganz Indien akquiriert wurden, mussten sich samt ihren Familien neu orientieren, die Zulieferbetriebe, die sich angesiedelt hatten, verloren ihre Investitionen. Schließlich ein Team von Entwicklern, das erleben musste, wie ihr Produkt nicht akzeptiert wurde. Trotz aller herben Rückschläge konnte Ratan Tata und sein Entwicklungsteam am 10. Januar 2008 bei der Delhi Auto Expo das billigste Auto der Welt präsentieren: Den Nano.

37 Patente und 31 neue Designapplikationen zeichnen das Meisterwerk der Ingenieurskunst aus, das Indiens "Volkswagen" zu sein beansprucht. Fortan war der Nano der Publikumsmagnet der Ausstellung. Massen drängten sich, um einen Blick zu erhaschen. Und Ratan Tata antwortete auf die Frage, was der Nano kosten sollte: 1 Lahk (100.000 Rs). Denn ein Versprechen ist ein Versprechen. Das Echo war euphorisch. Time magazin schrieb: "It could well be one of the most important cars ever designed. Even before it goes to sale, the car has become an important symbol of an emerging trend in the developing world, a new brand of innovation that makes more out of less and engineers clever but cheap fixes the problems that Western companies might throw expensive technology at." Für Newsweek steckt im Nano eine neue, das 21. Jahrhundert prägende Philosophie von kleiner, leichter, günstiger, die ohne Kompromiss bei Qualität, Sicherheit und Komfort ein neues Zeitalter an persönlichen Fortbewegungsmöglichkeiten einläutet. Kamal Nath, der damalige indische Verkehrsminister, sprach davon, dass der Nano Ausdruck der technischen und unternehmerischen Leistungskraft Indiens sei und für Millionen Inder ein Wunsch in Erfüllung geht - der Umstieg vom Motorrad auf das Auto. Shrawan Garg, einer der renommiertesten Verlagsleiter in Indien, sagte: "Der Nano ist mehr als ein Auto. Er signalisiert den Wandel und verändert die indische Gesellschaft erheblich."

Im Sommer 2009 wurde der erste Nano ausgeliefert. Mehr als 200.000 Kaufwillige beteiligten sich an einer Lotterie, die die ersten 100.000 Besitzer des Nano ausloste. Wer zu den Glücklichen zählte, erzeugte mit dem Nano überall in Indien Aufsehen. Familien, Freunde, Nachbarn wollten den Nano sehen, Autofahrer hielten an und stoppten die Nanofahrer, weil sie das Wunderwerk betrachten wollten. 2010 konnten die ersten Nanos aus dem Fertigungswerk in Sanand ausgeliefert werden. Tata Motors arbeitet inzwischen daran, einen Nano für Europa zu entwickeln, testet Elektro- und Hybridvarianten und sieht erhebliche Verkaufschancen für den Nano in anderen Schwellenländern. Gegen Skeptiker und Neinsager entstand der Nano als innovatives Auto, das aus Sicht der Ingenieure weniger eine "Revolution" im Markt darstellt als eine "Evolution": Die Schöpfung von etwas völlig Neuem durch unkonventionelles Denken und Handeln.

Struktur der Tata Gruppe

Übersicht in der Wikipedia über die Konzernstruktur der Tata Gruppe

http://de.wikipedia.org/wiki/Tata-Gruppe

Empfehlen